Favoritensiege
bei den Golden Globes
Schwermütige
Filme und unkonventionelle Charaktere dominierten bei der 63. Golden
Globe-Verleihung in Beverly Hills: Während Ang Lees Brokeback
Mountain als bestes Drama des Jahres ausgezeichnet wurde, bekam
die Johnny Cash-Biografie Walk the Line mit Joaquin Phoenix
in der Hauptrolle den Preis in der Kategorie „Bestes Musical/Beste
Komödie“.
Als Joaquin Phoenix seinen Globe als bester Hauptdarsteller entgegennahm,
meinte er scherzhaft: „Wer hätte je gedacht, dass ich in
der Kategorie Musical/Komödie gewinnen würde?“ Die leidvolle
Lebensgeschichte der Countrylegende Cash wäre wohl in der Dramen-Kategorie
besser aufgehoben gewesen. Leichtere Filmstoffe wie die Musical-Verfilmung
The Producers von Mel Brooks oder der ironische Jane Austen-Streifen
Stolz und Vorurteil hatten ohnehin keine Chance und gingen
leer aus.
Falls die Globes in diesem Jahr der ihnen zugeschriebenen Rolle als
Oscar-Barometer gerecht werden, dann liegt Brokeback Mountain
zumindest für den Moment vorn. Insgesamt bekam das unkonventionelle
Liebesdrama zweier schwuler Cowboys vier Preise: Bestes Drama, beste
Regie, bestes Drehbuch (nach einer Erzählung von Schiffsmeldungen-Autorin
Annie Proulx) und zusätzlich noch bester Filmsong. Ziemlich offen
sind dagegen die Darstellerkategorien, was auch damit zusammenhängt,
dass die Golden Globes nach Hauptdarstellern in einem Drama und in einem
Musical/einer Komödie unterscheiden. Reese Witherspoon machte den
Triumph für Walk the Line perfekt und gewann unter großem
Applaus als beste Darstellerin (Musical/Komödie) für ihre
Rolle als June Carter, der Frau an Johnny Cashs Seite. Am meisten dürfte
Witherspoons Sieg ihren Mann, den Schauspieler Ryan Phillippe, begeistert
haben, der seiner Frau bei der Verlesung der Nominierungen coachmäßig
die Schultern durchmassierte und sie enthusistisch anfeuerte.
Große Emotionen auf der Bühne waren eher die Seltenheit.
Felicity Huffman, die als beste dramatische Darstellerin für ihre
Rolle in Transamerica ausgezeichnet wurde, machte ihrer Kategorie
zumindest alle Ehren und schluchzte sich mühsam durch ihre Dankesrede.
Sie spielt eine dankbare Schauspielerrolle als Transvestit mit Identitätsproblemen
und dürfte sich bei den Oscars ein heißes Rennen mit Witherspoon
liefern. Überhaupt war das Thema der sexuellen Orientierung eine
Art roter Faden: Philip Seymour Hoffman spielt den schwulen Bestsellerautor
Truman Capote auf seiner Reise in eine amerikanische Einöde, die
von einem grausamen Verbrechen traumatisiert ist, und erhielt dafür
erwartungsgemäß den Darstellerpreis. Für die Oscars
stellt sich die Frage, welche amerikanische Ikone der Academy wohl eher
preiswürdig erscheint: Johnny Cash oder Truman Capote? Nicht außer
acht lassen sollte man jedoch David Strathairn für sein Porträt
des bekannten Journalisten Edward Murrow im Politdrama Good Night,
and Good Luck, das an diesem Abend trotz vier Nominierungen leer
ausging.
Für Good Night, and Good Luck-Regisseur George Clooney
gab es dennoch einen Trostpreis: er wurde als bester Nebendarsteller
im CIA-Thriller Syriana ausgezeichnet. Als er gleich zu Beginn der Veranstaltung
auf die Bühne gerufen wurde, konnte er seine Überraschung
nicht verbergen: "Ich dachte, Paul Giamatti würde gewinnen.
Der Abend ist so jung, ich hatte noch nicht einmal einen Drink!“
Giamatti war als Boxcoach von Russell Crowe in Das
Comeback nominiert.
Bei den Nebendarstellerinnen gab es eine erfreuliche Überraschung.
Nicht etwa die prominentere Hollywood-Konkurrenz gewann, sondern die
smarte Britin Rachel Weisz, die als politische Aktivistin in der John
Le Carré- Verfilmung Der ewige Gärtner glänzt,
an der Seite von Ralph Fiennes (der jedoch nicht einmal nominiert war).
Eine weitere tolle Entscheidung war sicherlich der Preis für den
besten fremdsprachigen Film an den palästinensischen Beitrag Paradise
Now, der sich kontrovers der Problematik im Nahen Osten annimmt
und unter anderem die deutsch-französische Weltkriegsschmonzette
Merry Christmas ausstach.
Ein weiterer prominenter Film über Israel und Palästina, Steven
Spielbergs München, bekam keinen Preis und muss nun hoffen,
dass die Oscar-Jury die Scharte vielleicht noch auswätzt. Ein betrüblicher
Abend war es sicher auch für die anspruchsvollen Independentstreifen
Match Point
von Woody Allen und David Cronenbergs A History of Violence,
die ebenfalls leer ausgingen. Woody Allen war der Veranstaltung ohnehin
fern geblieben und zog, vermutlich in weiser Voraussicht, einen entspannteren
Jazz-Abend in New York dem eitlen Hollywood-Showbiz vor.
Die einzigen Standing Ovations des Abends gebührten Anthony Hopkins,
der einen Preis für sein Lebenswerk bekam und anmerkte, er habe
noch nicht vor abzutreten. Mit besonderer Begeisterung reagierte das
Saalpublikum, wie könnte es anders sein, als auf der großen
Leinwand Ausschnitte von Hopkins Paraderolle als Hannibal Lecter vorgeführt
wurden. Auch das passte natürlich zum ganzen Abend: Die düsteren
Stoffe dominierten.
Da die Golden Globes nicht nur an Filme, sondern auch an TV-Serien vergeben
werden, sei angemerkt, dass die in Deutschland ausgestrahlten Serien
Desperate Housewives und Lost in den dortigen Hauptkategorien
siegreich waren.
Dominik Rose
17.01.2006
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