Rum Diary
Drama, USA 2011, 120 Minuten, ab 12
Originaltitel: Rum Diary; Deutschlandstart: 02.08.2012 (Wild Bunch); Regie: Bruce Robinson; Produktion: Christi Dembrowski, Johnny Depp u.a.; Drehbuch: Bruce Robinson nach dem Roman von Hunter S. Thompson; Musik: Christopher Young; Kamera: Dariusz Wolski; Schnitt: Carol Littleton

mit Johnny Depp (Kemp), Aaron Eckhart (Sanderson), Michael Rispoli (Sala), Amber Heard (Chenault), Richard Jenkins (Lotterman), Giovanni Ribisi (Moberg), Amaury Nolasco (Segarra), Marshall Bell (Donovan), Bill Smitrovich (Mr. Zimburger), Julian Holloway (Wolsley), Bruno Irizarry (Lazar), Enzo Cilenti (Digby), Aaron Lustig (Monk), Tisuby González (Rosy) u.a.

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Wie schafft man 161 Fläschchen aus der Minibar? Das sind fast 100 Fläschchen die Woche. Da müssen die ja viermal am Tag neu auffüllen. - Ist das nicht im Preis mit drin? - Nein, Mr. Kemp, ist es nicht! - Paul Kemp schaut bei seinem Chef vorbei.

Plot: In den 1950er Jahren nimmt der Journalist Paul Kemp (Johnny Depp) einen Freelancer-Job in Puerto Rico bei einer Zeitung an und begibt sich auf die Suche nach der großen Story. Dabei trifft er auf den Großinvestor Sanderson (Aaron Eckhard), den etwas schrägen Reporter Sala (Michael Rispoli) und Sanderson umwerfende Freundin, das blonde Gift Chenault (Amber Heard). Mit Sanderson bietet sich für Kemp sozusagen der Schlüssel zum großen Erfolg, doch im Rausch von Puerto Ricos Kultur, Nachtleben und sehr viel Rum geraten die Dinge etwas außer Kontrolle.

Kritik: Prinz Valium und die Mogelpackung: Er hatte Johnny Depp! Und Aaron Eckart, Amber Heard und Material genug, um einen rauschhaften, durchgedrehten Film zu drehen. Doch was eine Art Vorgänger zu Terry Gilliams Kultfilm Fear and Loathing in Las Vegas hätte werden können, verkommt bei Bruce Robinson zur gnadenlosen Schlaftablette. Startete Fear and Loathing bereits als rasanter Trip, bei dem Raoul Duke (Depp) schon zu Beginn Gespenster (bzw. Fledermäuse) sah, erwacht Kemp morgens lediglich aus einem gewaltigen Hangover, der Rausch ist bereits vorbei. Im weiteren Verlauf erzählt der Film dann die mentale Reise Kemps, der, immer auf der Suche nach der großen Story, mit Sanders die Chance zu großen finanziellen Erfolg erhält, sich aber lieber mit seinem schrägen Kollegen Sala und dem völlig verlotterten Moberg abgibt (großartig: Giovanna Ribisi, dem man die ganze Zeit über eine Dusche und eine Rasur verpassen will). Dann kommt mit Amber Heard auch noch das blonde Gift ins Spiel, die die Beziehung zwischen Sanders und Kemp ins Wanken bringt, letztlich aber nicht mehr als schöner Schauwert ist, ihre Rolle zu klein und unwichtig, um wirklich ernst genommen zu werden, da kann sich Ribisi deutlich besser profilieren. Während in F&L Realität und Drogenrausch bedingte Halluzinationen miteinander verschwimmen und die Momente, in denen Duke mal halbwegs zurechnungsfähig ist, schon rar gesät sind, wirkt es schon mächtig forciert, wenn Kemp und Sala "mal" experimentell ein Halluzinogen ausprobieren, "das so stark ist, dass es sogar den Kommunisten gegeben wird". Tatsächlich wirken die wenigen rasanten oder zumindest schrägen Moment dieses langsamen, von schwüler Hitze geprägten Films eher deplatziert und so, als wären sie nur inszeniert worden, um im irreführenden Trailer verwendet werden zu können.

Der dortige Kommentar "…und alles ist wahr! Glaube ich!" kann nur einer dreisten und platten Mogelpackung angerechnet werden. Gags wie der mit dem Fernglas und Fernseher, dem zweideutigen Dialog mit der Yacht oder dem fehlenden Vordersitz sind im Film nicht halb so witzig, vor allem, wenn man sie aus der Vorschau bereits kennt. Bei anderen Szenen wie dem Hühner-Voodo stellt sich schlicht die Frage nach dem "warum?". Wenn man Depps Figuren kennt, wirkt die Szene so plump, als würde sich ein Arnold Schwarzenegger von einer Wasserpistole einschüchtern lassen. Unterm Strich betrachtet bleibt, dass verschwommene Realitäten und Erlebnisse am Rande des Rum-Deliriums weder Bestandteil dessen sind, was der Film vorgibt zu sein, noch dessen, was er, "nüchtern" betrachtet, tatsächlich ist.
Johnny Depp spult hier zwar seine altbewährte Johnny Depp-Nummer ab, für die wir ihn eigentlich lieben, aber außerhalb des Rahmens eines Films, der auch sonst genug zu bieten hat, so fast gänzlich darauf reduziert, wirkt das doch etwas inflationär. Da hätte sich Depp besser nicht auf Robinson eingelassen, für den das Rum Diary sein erster Film nach fast zwanzigjähriger Regie-Pause darstellt, dem offensichtlich das Gespür für rasante Inszenierung fehlt oder zumindest abhanden gekommen ist. Aber das Gespür für einen lohnenswerten Film fehlte Depp ja auch schon bei dem ebenfalls sehr rumhaltigen vierten Piratenabenteuer. Anscheinend geht es dem fast 50jährigen Superstar nicht mehr um die großen Rollen, sondern nur noch um die letzten großen Gehaltschecks auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
Das vermutlich Aufregendste am Film dürfte der Trubel um Depps Affäre mit Schauspielkollegin Amber Heard sein; wenn man cineastisch schon nicht viel zu bieten hat, dann sollte doch wenigstens die Klatschpresse bedient werden.

Fazit: Lange Zunge statt langer Nase: Das Rum Diary ist kein Rausch, sondern ein langsamer Hangover und beinahe die quälende Suche nach sich selbst, ein Film, wie er vielleicht ins Oeuvre der Coen-Brothers gepasst hätte, davon abgesehen, dass Paul Kemp weder tragische Figur noch Verlierer ist. Der Film kann weder als das punkten, was er tatsächlich ist, noch als das, was er vorgibt zu sein, Johnny Depp verkommt zur inflationären Zutat einer Mogelpackung. 4 von 10 im Gegensatz zum Film tatsächlich rasanten Cabriolets.

Nikolas Mimkes
22.08.2012

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