Mathilde - Eine große Liebe
Drama, Frankreich/USA 2004, 133 Minuten, ab 12, Prädikat: besonders wertvoll
Originaltitel: A Very Long Engagement; Deutschlandstart: 27.01.2005 (Warner Bros.); Regie: Jean-Pierre Jeunet; Produktion: Francis Boespflug, Bill Gerber, Jean-Louis Monthieux; Drehbuch: Jean-Pierre Jeunet, Guillaume Laurant nach dem Roman von Sébastien Japrisot; Musik: Angelo Badalamenti; Kamera: Bruno Delbonnel; Schnitt: Hervé Schneid

mit Audrey Tautou (Mathilde) Gaspard Ulliel (Manech), Jean-Pierre Becker (Lieutenant Esperanza), Dominique Bettenfeld (Ange Bassignano), Clovis Cornillac (Benoît Notre-Dame), Marion Cotillard (Tina Lombardi), Jean-Pierre Darroussin (Benjamin Gordes), Julie Depardieu (Véronique Passavant), Jean-Claude Dreyfus (Commandant Lavrouye), André Dussollier (Rouvières), Ticky Holgado (Germain Pire), Tchéky Karyo (Captain Favourier), Jérôme Kircher (Bastoche), Denis Lavant (Six-Soux), Chantal Neuwirth (Bénédicte)

Filmplakat
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Offizielle Website (Warner Bros. )
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      Bruno Calvo / Gilles Berquet
© 2003 Productions / Warner Bros. France 2004.

Mathilde - Eine große Liebe, so der eher banale deutsche Verleihtitel, ist die Verfilmung eines recht passablen Romans von Sébastien Japrisot (im Original: Un long dimanche de fian¸ailles, etwa: „eine sehr lange Verlobung“), und zugleich natürlich die zweite Zusammenarbeit des Amélie- Erfolgsduos Jean-Pierre Jeunet (Regie) und Audrey Tautoo (in der Hauptrolle).

Plot: Wir befinden uns im Frankreich kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs: Die Welt der Mathilde (Tautoo) ist alles andere als fabelhaft, seit ihr Verlobter Manech (Gaspard Ulliel) nicht aus dem Krieg heimkam. Der offiziellen Version zufolge starb er im Januar 1917 auf dem Schlachtfeld zwischen dem französischen Schützengraben Bing au Crépuscule (etwa: „Peng! In der Dämmerung“) und einer deutschen Stellung. Offensichtlich, so der grausame Verdacht, wurde er von den eigenen Militärs gemeinsam mit vier anderen Soldaten in den sicheren Tod geschickt, nachdem er zuvor wegen Selbstverstümmelung vom Kriegsgericht verurteilt worden war.
Die Handlung springt zwischen den grausamen Kriegsereignissen und der beschaulichen Nachkriegszeit in der ländlichen Bretagne, wo Mathilde gemeinsam mit Tante und Onkel lebt, hin und her: Mathilde will sich mit der niederschmetternden Nachricht von dem verstorbenen Geliebten nicht zufrieden geben. Sie engagiert einen Privatdetektiv (Ticky Holdago) und stellt zusätzlich eigene Nachforschungen an, um der ganzen Wahrheit auf die Spur zu kommen. Getrieben wird sie von ihrem unerschütterlichen Glauben, Manech könnte in dem chaotischen Schlachtgewirr vielleicht doch überlebt haben.

Kritik #1: Mathilde - Eine große Liebe ist auf inhaltlicher und erzählerischer Ebene mehr als nur eine klassische Liebesgeschichte, es geht in gleichem Maße um die Orientierungslosigkeit des Menschen im Zeitalter der Moderne. Je weiter Mathilde in ihren Nachforschungen voranschreitet, je komplexer das Geflecht aus Begnungen, Gerüchten und Anekdoten gesponnen wird, je deutlicher kristallisiert sich das klassischste aller Liebesthemen, nämlich die Sehnsucht nach dem/der abwesenden Liebsten, als letzte Rettung vor dem Chaos heraus.

Manech, so Mathildes beinahe notorische Hoffnung, muss einfach leben, sie muss ihn wiedersehen, sonst kann sie auch gleich den Strick nehmen. Beinahe der gesamte Film ist in sepiafarbene Melancholie gehüllt, auch wenn das bretonische Landleben nicht arm ist an teils humorvollen und idyllischen Erlebnissen. Im Grunde, da lässt Jean-Pierre Jeunet jedoch keinen Zweifel, ist die heile Vorkriegswelt zerstört, der Glaube an ein sinnerfülltes Dasein erschüttert. Die Welt der Mathilde ist eine Welt aus Zeichen, die an die Stelle eines verloren gegangenen übersichtlichen Zusammenhangs getreten sind, und aus denen die Protagonistin das Schicksal ihrer großen Liebe zu deuten versucht: „Fährt der Zug in den nächsten Sekunden nicht in einen Tunnel“, so Mathilde – unter anderem – an einer Stelle, „dann lebt Manech noch!“
Mathilde ist vor allem ein postmodernes Spiel mit Bildern und Geschichten. Vielzählige kleine Episoden, ausufernd und allesamt meisterhaft in Szene gesetzt, dienen nicht unbedingt einem überschaubaren Gesamtkontext, spiegeln jedoch die filmische Lust am Erzählen wider. Hinzu kommen atemberaubende Kamerafahrten, prächtige Kulissen und elegant verknüpfte Handlungsstränge – der Zuschauer kommt teilweise aus dem Staunen nicht heraus. Und dennoch bleibt eine gewisse Distanz, zu atem- und makellos braust der Film über die Leinwand. Vielleicht ist sich Jeunet auch ein bisschen zu sehr seiner filmischen Möglichkeiten bewusst, oder das Ganze ist eine Spur zu abgeklärt inszeniert. Nach einer Weile hatte ich den Eindruck, der Film interessiert sich weniger für seine Liebesgeschichte als für seine erzählerischen Raffinessen, die für sich genommen zwar erstaunlich genug sind, aber in ihrem Höchstmaß an Perfektion allenfalls ein Mindestmaß an Interesse dem großen Thema gegenüber aufbringen: Kunst um der Kunst willen, aber nicht um der Geschichte willen.
Erst am Ende, in einer teils rührenden, teils kitschigen Gartenszene, spürt man erstmals so etwas wie Ruhe, einen langen erzählerischen Atem, und kann – wenn einem danach ist – bedeutungsschwer seufzen, dass das Rätsel von Mathilde und Manech, und der Film insgesamt, tatsächlich doch noch an seinem Ende angelangt ist.

Fazit #1: Postmoderner Erzähl- und Bilderrausch, mit allen Finessen inszeniert, jedoch nicht so fesselnd wie Die fabelhafte Welt der Amélie: 8 von 10 Briefe aus dem Krieg.

Dominik Rose
30.01.2005

Wenn Manech tot wäre, würde Mathilde das wissen. Seit der Todesnachricht klammert sie sich hartnäckig an ihre Intuition wie an ein dünnes Seil. Sie lässt sich nicht entmutigen. Zudem hat Mathilde ein glückliches Naturell: Sie sagt sich, wenn das Seil sie nicht zu ihrem Liebsten führt, egal. Ist nicht so schlimm. Sie kann sich ja immer noch damit erhängen. - Die Erzählerin führt in die Geschichte ein.

Kritik #2: "Schmeckt nicht jedem" hieß es in einem Werbeslogan für eine bekannte Glimmstengelmarke vor dem Film. Und genau so könnte man Jean-Pierre Jeunets und Audrey Tautoos bisherige gemeinsame Werke beschreiben. Schmeckt nicht jedem. Wie auch in Die fabelhafte Welt der Amelie werden dem Zuschauer teils derbe Szenen zugemutet, bei denen der amerikanische Film schon längst ausgeblendet oder zumindest einen Weichzeichner eingesetzt hätte. Auf der anderen Seite überlässt er häufig dem Zuschauer und seiner hoffentlich vorhandenen Phantasie wie es weitergeht oder warum etwas so ist, wie es ist. Das zeigt sich sehr deutlich am Ende des Films, das vielmehr ein (Neu)Anfang als ein (Hollywood)Ende ist. Es muss nicht bis ins letzte Detail alles gesagt und gezeigt werden, damit auch der minderbemittelte Zuschauer auch noch weiß, wie die Geschichte ausgeht. Vielmehr ist es jedem selbst überlassen diese einmalige Liebesgeschichte weiter zu denken. Schmeckt halt nicht jedem.
Für mich war es wieder mal eine wahre Freunde etwas anderes als das übliche vorgekaute amerikanische "wir haben uns alle lieb und alles ist gut"-Ende sehen zu dürfen. Kitschig ist dieser Schluss wirklich nur ganz am Rande. Er ist mehr zum Träumen, Lachen, Weinen und Schmunzeln zugleich.

Genau dieses Absetzen vom cineastischen Einheitsbrei macht sich während des gesamten Films deutlich bemerkbar. Kein mir bekannter amerikanischer Film kann in einer solchen Deutlichkeit und Brutalität die Schrecken des Krieges einfangen ohne dabei in Schuldzuweisungen, Schwarz-Weiß-Denken oder noch schlimmer in ein Heldenepos abzurutschen. Wenn ich an die letzte Liebesgeschichte-Kriegsfilm-Mischung denke, dann fällt mir Pearl Harbor ein, der beides nicht liefert, verglichen mit diesem Meisterwerk.
Mathilde - Eine große Liebe (der deutsche Titel ist wirklich ungeeignet) erzählt mit einer Detailverliebtheit, die ihres Gleichen sucht, eine herzzerreißende Liebesgeschichte und zeigt dabei ungeschminkt die Grausamkeit und die Sinnlosigkeit des Krieges. Der Zuschauer befindet sich in einer Achterbahnfahrt der Gefühle. Mit einer unbeschreiblichen Bildgewalt und absolut fesselndem erzählerischem Talent wird der Zuschauer über zwei Stunden gefangen im einen filmischen Rausch. Und dabei wird nicht nur eine zentrale Geschichte erzählt, sondern es werden viele kleine Geschichten zu einem großen Netz zusammen gewoben. Dabei wird auch die kleinste Nebenrolle noch ernst genommen und mit Charakter versehen. Für mich nach Amelie wieder ein Kinobesuch, von dem noch etwas bleibt, wenn das Licht angeht.

Fazit: Schmeckt nicht jedem. Und das ist auch gut so! 9 von 10 Hunden mit Blähungen.

Lars Haller
03.02.2005

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Gut6%
Sehr gut5%
Absolut hervorragend8%
Bester Film aller Zeiten10%

756 Stimmen
Schnitt: 4.8
cgi-vote script (c) corona, graphics and add. scripts (c) olasch

Leser-Kommentare:
tim (05.03.06): Der Film ist einfach sagenhaft, in allen Einzelheiten. Wer dieser Film nicht nicht weniger als atemberaubend bewertet hat nichts weder vom Leben noch von wahrem Kino verstanden. Nur der Sebastian hat es offensichtilich richtig interpretiert. Alle andere sind Banausen!
nick (25.02.06): ein super film!!!der film hat einen historischen hintergrund!!aber kinder unter 14 jahren würde ich den film nicht zeigen,weil es brutale sczenen gibt- das buch ist trotzdem besser, liest erst das buchund dan guck den film!!!!!!!
Anne (23.05.05): Der Film ist einfach wundervoll!Diese Liebe und was sie alles auslösen kann!Solche Filme sollte es häufiger geben!!Aber auch Barfuss ist so ein toller Film!Tschü
joel (07.02.05): ein toller film. absolut einmalige und unbeschreibare bilder (!!), tolle schauspieler und eine sehr komplexe geschichte. man muss hoellisch aufpassen, da viele namen und handlungen um die hauptgeschichte gewoben sind. ein film, der (wegen der unverbluemten kriegsszenen) traurig stimmt, aber an anderen stellen auch sehr lustig ist. sowas gelingt nicht oft. ein muss fuer jeden kinofan. 9 von 10 furzenden hunden
Steffen (06.02.05): Was soll das sein? Ein Rundum-Glücklich-Paket für Cineasten? Der Film hat praktisch für jeden was und will es jedem recht machen. Er könnte so gut sein und ist es teilweise ja auch aber das Ganze ist bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile und so bleibe ich am Ende ratlos was ich von diesem Film halten soll. Ich kann nichts rauspicken und kritisieren weil alles perfekt scheint, packende Geschichte, tolle Darsteller, ausgezeichnete Kamera etc etc.. und doch war ich nicht zufrieden. Der Film will einfach zuviel und erreicht am Ende praktisch nichts (außer man ist leicht romantisch veranlagt)
Dominik (01.02.05): @Olaf: Das stimmt, die französische Filmindustrie, die ja sehr auf kulturell-finanzielle Eigenständigkeit setzt, erkennt eine internationale Co-Produktion nur dann als französisch an, wenn die ausländischen Gelder nicht über einem bestimmten Prozentsatz des Geamtbudgets liegen. @Sebastian: "Distanz" vielleicht deshalb, weil mir ruhige, zur Reflektion einladende Momente etwas fehlen. Ich konnte eher "staunen" als "mitfühlen".
Olaf (01.02.05): @Sebastian: Ich vermute, dass der Film deswegen nicht bei den Auslandsoscars zu finden ist, weil er amerikanisch coproduziert ist.
Olaf (01.02.05): Die von Dominik genannte "Distanz" konnte ich auch nicht feststellen. Im Gegenteil: Durch die scheinbare ironische Distanz des Erzählers und der Montage erschienen mir dir Bilder noch intensiver. Vor allem die formale Ähnlichkeit zu Die fabelhafte Welt der Amelie hat dazu beigetragen.
Erschütterndes Kriegsdrama und Liebesgeschichte. Intensiv und verstörend. Ich gebe 9 von 10 aufopferungsvoll recherchierende Privatdetektive.

Sebastian (31.01.05): Mathilde - Eine große Liebe ist einfach ein kleines Meisterwerk und ein wirklicher "Must See"-Film! Filmisch brilliant erzählt, ist Mathilde zwar auf der einen Seite (auf den ersten Blick) ein reines Liebesdrama, entpuppt sich aber auf der anderen Seite schnell als ein erschütternder (Anti-)Kriegsfilm! Der Film stellt schonungslos das Grauen des 1. Weltkriegs dar und zeigt, wie der Krieg nicht nur das Leben der Soldaten vernichtet hat, sondern in weitaus größeren Dimensionen ganze Familienschicksale beeinflusste und zerstörte. Im Grunde wird die Suche der Protagonistin nach ihrem Liebsten erzählt, der im Krieg hingerichtet worden sein soll, was sie aber nicht glaubt. Die Geschichte wird spannend als eine Art mysteriöser Krimi erzählt, in dem immer so ganz nebenbei von etliche Schicksalen von Soldaten und deren Angehörigen berichtet wird.
Der Film hat eine atemberaubende Atmosphäre, was sowohl an Audrey Tautou, als auch an der begnadeten Inszenierungsart von Jean-Pierre Jeunet liegt. Im ersten Moment ist man noch vom Krieg schockiert, im nächsten Moment ist man traurig, um dann in der darauffolgenden Szene schon wieder durch einen liebenswerten Gag erheitert zu werden. In anderen Momenten hat man wiederum eine Gänsehaut oder muss mitfühlend weinen! Der Film ist ein wahres Wechselbad an emotionalen Reizen! Nur Jeunet kann so einen Film erschaffen! Von Dominiks "gewisser Distanz" zum Film konnte ich nichts bemerken! Gut, man sollte für den Film vielleicht in der passenden Stimmung sein, um ihn wirklich genießen zu können!!!!
Die Kameraaufnahmen sind wunderbar und absolut oscarwürdig! Genauso wie die gesamte detailverliebte Ausstattung des Films!
Ich bin von dem Film hin und weg und gebe völlig verdiente 10 von 10 Aufgüssen aus vierblättrigen Kleeblättern! Unbedingt anschauen!!!!
Ich frage mich nur, warum für Frankreich nicht Mathilde als bester fremdsprachiger Film ins Oscar-Rennen geht, sondern Die Kinder des Monsieur Mathieu? Ohne Frage ist letzterer auch ein sehr guter Film, aber Mathilde ist um ein Vielfaches besser!

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